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Trend-Check: Mensch-Roboter-Kooperation (MRK)

Artikel, letzte Änderung: , Autor : EGS Automation

Aktuell spielt die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) eine zunehmend größere Rolle in der Berichterstattung in Fachzeitschriften, bei Roboter- und Automatisierungsmessen sowie in der Diskussion im Netz und den sozialen Medien.

Trend-Check: Mensch-Roboter-Kooperation (MRK)

Nahezu alle Roboterhersteller versuchen der daraus resultierenden Nachfrage durch spezielle Roboter gerecht zu werden.

Wer keine entsprechend spezielle Maschine im Portfolio hat, arbeitet fieberhaft an der Entwicklung und Markteinführung. Andere Hersteller bieten von Anfang an nur Roboter dieser Gattung an. Richtig Fahrt hat die Thematik aufgenommen als die ersten Automobilhersteller –bis dahin in erster Linie für höchste Anforderungen an Spezifikation und Sicherheit von Robotern- begannen mit dem Slogan „wir befreien die Roboter aus ihren Käfigen“ zu werben. Mehr als Grund genug sich einmal eingehender mit diesem Thema zu beschäftigen.

Fangen wir zunächst mit dem Begriff selbst an. Kooperation bedeutet, dass zwei Individuen zusammenarbeiten, in der Form, dass die Arbeit jedes Einzelnen in der Summe zum Gesamtergebnis führt. Auf die Robotik übersetzt heißt das: bei der Kooperation geht man von der Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Arbeitsbereich ohne trennende Schutzeinrichtung aus. Unterschieden werden muss dann noch ob Roboter und Mensch gleichzeitig an einem Werkstück arbeiten, oder nacheinander sich ergänzende Tätigkeiten ausführen. Der/die eigentliche(n) Roboterprozess(e) wird/werden dabei vom Roboter erledigt, der/die eigentliche(n) manuelle(n) Prozess(e) vom Menschen.

Was ist dazu erforderlich? Die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für Roboter(anlagen) sind in der Maschinenrichtlinie geregelt. Außerdem gibt es seit Anfang die ISO/TS , die erforderliche Richtlinien zur Realisierung von MRK-Systemen vorgibt.

Am einfachsten bewahrt man den Menschen vor Schaden an Leib und Leben durch trennende Schutzeinrichtungen. Arbeitet der Roboter ist der Mensch draußen, ist der Mensch drinnen, kann der Roboter nicht arbeiten. Dann kann der Roboter –egal wie groß und schnell- mit maximaler Geschwindigkeit verfahren, solange sichergestellt ist, dass er den Raum, der durch die trennende Schutzeinrichtung abgeschrankt ist, nicht verlässt. Ebenso können in diesem Betrieb alle weiteren Aggregate, die ebenso eine Gefahr für den Menschen darstellen können, ohne Einschränkung betrieben werden. Das sind z.B. die Werkzeuge, die am Roboter angebaut sind (z.B. pneumatische Greifer, Stanz-/Niet-/Schweißeinrichtungen) sowie sonstige Aggregate einer Automatisierungsanlage (z.B. Dreh- und Schwenkaggregate zur Positionierung von Bauteilen u.v.m.).

Wenn sich nun Roboter und Mensch in einem gemeinsamen Arbeitsraum bewegen sollen, müssen alle diese Gefahren vermieden werden. Das bedeutet konkret, dass entweder dynamische Schutzeinrichtungen, die einen Zugang erlauben und die Position eines Menschen detektieren verwendet werden, und/oder der Roboter eine bestimmte Geschwindigkeit und Kraft nicht überschreiten darf. Nur so kann sichergestellt werden, dass dem Mensch kein Schaden zugefügt wird. Die gleiche Anforderung gilt natürlich auch für alle weiteren Aggregate einer Automation, das ist logisch, denn was nützt der "best-harmloseste" Roboter, wenn ein pneumatischer Greifer dem kooperierenden Werker den Finger quetscht. Es sind also langsame, leichte und sensitive Roboter erforderlich. Im Umfeld bedarf es spezieller Greifwerkzeuge mit geringer Kraft oder zusätzlicher Sensorik, bestimmte Prozesse (wie z.B. Schweißen) sind gänzlich ausgeschlossen.

Hier sind wir nun beim ersten Punkt angelangt: In Frage kommen also Prozesse, bei denen es nicht auf Geschwindigkeit und damit Taktzeit ankommt. Aufgrund der leichten Bauweise der meisten kooperierenden Roboter ist die Genauigkeit signifikant schlechter als bei „normalen“ Industrierobotern, was entweder in Kauf genommen oder mittels zusätzlicher Sensorik kompensiert werden muss. Da gleichzeitig die Greifer ebenfalls nur gefühlvoll und vorsichtiger zugreifen können, ist auch hier Geschwindigkeit und Genauigkeit eingeschränkt.

Gehen wir jedoch nochmal einen Schritt zurück zu den Anwendungen, bei denen trennende Schutzeinrichtungen durch überwachende Sensorik (z.B. Bodenscanner, Lichtvorhänge o.ä.) ersetzt werden. Dafür gibt es unterschiedliche Motive, es handelt sich aber nicht um MRK-Anwendungen im Sinne der ISO/TS . Sinnvoll kann diese Maßnahme nur sein, wenn der Mensch mit dem Roboter interagieren muss und es keine Möglichkeit gibt durch alternative Maßnahmen, wie z.B. einen Wechseltisch oder ähnliches, einen Austausch des Werkstückes zwischen Roboter und Mensch zu realisieren. Eine Milchmädchenrechnung ist es in der Regel, wenn man ein solches System aufbaut, um vermeintliche Mehrkosten für einen Schutzzaun zu sparen. Bodenscanner, Lichtvorhänge und der erforderliche Safety-Controller des Roboters plus komplexere Programmierung des Roboters mit Safety-Controller kompensieren die vermeintliche Ersparnis oder sind oft sogar noch teurer. Ebenso geht der Plan meist nicht auf, wenn man auf diese Weise Produktionsfläche sparen möchte, da der zu überwachende Raum nach Maschinenrichtlinie entsprechend groß sein muss um Anhaltewege zu gewährleisten. Das bedeutet in der Regel, dass der vermeintlich zur Verfügung stehende zusätzliche Raum von Sicherheitseinrichtungen überwacht wird und der Roboter stoppt oder langsamer fährt, wenn er durchlaufen wird oder jemand etwas abstellt. In der Regel erweist sich das auf Dauer als echter Produktivitätskiller. Das Resultat: verminderte Produktivität, macht sich meist erst am Ende einer Schicht bemerkbar, da die Anlage ja ohne Fehlermeldung gelaufen ist, nur eben oft stand bzw. mit reduzierter Geschwindigkeit produziert hat. Ebenso ausklammern aus den Betrachtungen können wir Anwendungen, bei denen Leichtbauroboter, die laut Hersteller für den Betrieb ohne Schutzzaun geeignet sind, ohne zusätzliche Schutzeinrichtung verwendet werden, die jedoch an ihrem Handgelenk ein Werkzeug tragen, welches eben nicht für den ungeschützten Betrieb geeignet ist. Dazu zählen z.B. Anwendungen bei denen ein pneumatischer Greifer angebaut wird, der einem Bediener einen Finger quetschen/brechen könnte, oder ein Werkzeug spitze Konturen hat o.ä. Mag hier der Roboterhersteller noch auf der sicheren Seite sein, so bewegt sich zumindest der Systemintegrator bzw. Anlagenbauer, der für die Anlage eine Konformitätserklärung ausgestellt hat sowie der Betreiber auf sehr dünnem Eis, wenn es zu einer Verletzung kommt.

Doch zurück zu unserem Ausgangspunkt. In der Norm ISO/TS sind nun seit Anfang Kräfte definiert, die im kooperativen Betrieb auf unterschiedliche Körperteile bzw. Regionen eines Menschen wirken dürfen. In der Norm wird dabei unterschieden zwischen den Klemm-und Quetschkräften, den Stoßkräften sowie der Druck- und Flächenpressung. Diese Grenz-Kräfte nehmen jedoch –je nach körperlicher Konstitution und Empfindlichkeit- z.B. blaue Flecken als Ergebnis eines ungewollten Kontaktes in Kauf. Klar ist natürlich auch, dass die Grenzwerte für Kollisionskräfte auf den Kopf eines Menschen sehr niedrig angesetzt sind. So ist z.B. die maximal zulässige Stoßkraft auf den Hals mit N definiert. Das wiederum würde für eine praktische Anwendung bedeuten, dass eine einigermaßen sinnvolle MRK-Applikation, bei der in Kopfhöhe eines Bedieners gearbeitet wird, nahezu unrealisierbar ist. Und damit sind wir beim zweiten Punkt angelangt: für MRK kommen also nur Anwendungen in Frage...