Der Werkzeugbau zeichnet sich meist durch kostenintensive Einzelanfertigungen aus. Europäische und amerikanische Hersteller stehen unter einem zunehmenden Preisdruck durch eine stärker werdende Konkurrenz aus asiatischen Ländern. Diese dominieren zunehmend den Markt, zumindest bei einfacheren Standardwerkzeugen. Die Branche setzt hierzulande daher auf innovative und qualitativ hochwertige Produktionslösungen, mit denen sie ihren Kunden eine höhere Produktivität ermöglichen und so die Kosten, pro hergestelltem Spritzgussbauteil, gegenüber der Standardlösung deutlich reduzieren.
Die wesentliche Stellschraube für eine höhere Produktivität ist die erreichbare Zykluszeit, die unter anderem über eine konturnahe Temperierung optimiert werden kann. Eine konturnahe Temperierung reduziert darüber hinaus den thermischen Verzug und verbessert so die Bauteilqualität. Je kürzer die Zykluszeit ist, umso mehr Teile können in der gleichen Zeit produziert werden. Die bestehenden Betriebsmittel können so in der verbleibenden Zeit für andere Produkte genutzt werden. Dies steigert die Gesamtproduktivität und Wirtschaftlichkeit der Anlagen deutlich.
Werkzeuge aus dem 3D Drucker
Um innovative Werkzeuge zu erstellen, setzt die Industrie verstärkt auch auf neue Fertigungsmethoden, wie den 3D Druck. Eventuelle Einschränkungen der additiven Fertigung, wie geringe realisierbare Stückzahlen, spielen im Werkzeugbau mit seinen Einzelanfertigungen keine große Rolle. Außerdem ist die Gestaltungsfreiheit des 3D Druckes nahezu universell. Macht man sich nun mit Hilfe von Simulation und numerischer Optimierung daran, die Spritzgusswerkzeuge hinsichtlich Struktur, Wärmeableitung, Fertigungsrandbedingungen auszulegen, lassen sich hocheffiziente Werkzeuge in kürzester Zeit fertigen.
Bei Phoenix Contact hat man bereits 2009 damit begonnen, diese Methoden zu evaluieren. Anfangs kam ein Polyjetdrucker, später Anlagen mit Lasersintertechnik (Kunststoffe) und Laserschmelztechnik (Metalle) zum Einsatz. Die sich daraus entwickelte Unternehmenseinheit, Rapid Solutions, lieferte schnelle Lösungen und Prototypen aus dem Werkzeugbau. Dank der additiven Fertigung und der entsprechend kurzen Maschineneinrichtungszeit konnten Produktideen aus dem CAD-System oft direkt am nächsten Tag realisiert bzw. an den Kunden ausgeliefert werden. Diese Vorgehensweise erwies sich als so leistungsstark, dass aufgrund der hohen Nachfrage im nächsten Schritt neue Anlagen beschafft wurden und Rapid Solutions Ende 2016 in ein eigenständiges Unternehmen innerhalb von Phoenix Contact, die PROTIQ GmbH, überführt wurde.
Bestellung auf einen Klick
PROTIQ erkannte schnell, dass ein enormer Bedarf an individuellen Werkzeugen aus verschiedensten Materialien bestand und so entschloss sich das Unternehmen, seine Lösungen global anzubieten. Über die daraus entstandene PROTIQ-Plattform ( können Kunden nun ihre digitalen 3D Daten hochladen, online einen Preis kalkulieren und sich das fertige Bauteil in kürzester Zeit liefern lassen.
Das Angebot des Unternehmens umfasst dabei mehr als die reine Produktion 3D gedruckter Bauteile. Um die Vorteile der additiven Fertigung voll auszuschöpfen, nutzt PROTIQ zur Auslegung der Werkzeuge Topologieoptimierung und Simulation. So können die Ingenieure, auf Basis von Lastfallbeschreibungen und anderen Randbedingungen, z. B. gewünschte interne Kanäle, die optimale Struktur des Bauteils ermitteln, bevor es produziert wird. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass nur so viel Material wie nötig verwendet wird und das finale Bauteil deutlich leichter ist, was neben geringeren Produktionskosten auch ein verbessertes Handling im späteren Einsatz bedeutet.
„Für die Topologieoptimierung nutzen wir OptiStruct, eine Softwarelösung von Altair. Mit dieser Lösung konnten wir Spritzgießwerkzeuge bauen, die nur 25 Prozent des Ursprungswerkzeuges wiegen, d.h. wir haben pro Werkzeug 75 Prozent Gewicht gespart. Darüber hinaus war das Werkzeug schneller als alle Werkzeuge, die wir bisher gebaut haben. Wir konnten die Zykluszeit durch konturnahe Temperierung deutlich reduzieren und auch bei der Durchlaufzeit zur Erstellung des Werkzeuges konnten wir 25 Prozent an Zeit einsparen. Dies lag vor allem daran, dass wir Dank des 3D Druckes bereits viele Funktionen integrieren konnten, die im Nachhinein nicht mehr montiert werden mussten“, sagte Ralf Gärtner, Unit Leiter bei Phoenix Contact und Geschäftsführer der Protiq GmbH.
Das Pilot-Projekt - ein Spritzgießwerkzeug wird optimiert
Für die Umsetzung des ersten Projektes wendete sich PROTIQ an Altairs Consulting Sparte ProductDesign (PD), die das PROTIQ Team während des gesamten Simulationsprozesses unterstützte und das erste Werkzeug, den ersten Prototypen mit entwickelte.
Im ersten Schritt hat PROTIQ den zur Verfügung stehenden Bauraum als Geometrie an Altair PD übermittelt. In enger Absprache zwischen den Teams wurden daraufhin die Lasten und Randbedingungen des Bauteils definiert, auf deren Basis die Altair PD Ingenieure das Optimierungsmodell in HyperMesh, dem in Altair HyperWorks integrierten Pre-Prozessor, erstellt haben. Mit diesem Modell wurde anschließend mit OptiStruct, dem FE-Solver und Optimierungswerkzeug der Altair Suite, eine Topologie-Optimierung durchgeführt. Das Optimierungsergebnis wurde mit solidThinking Evolve umgesetzt, verfeinert und für den Druck vorbereitet. Zur Validierung des Optimierungsergebnisses nutzen die Ingenieure wiederum OptiStruct und führten eine weitere FE-Analyse der optimierten Struktur durch. Parallel dazu simulierte das Altair PD Team die Temperierung des Werkzeugs mit AcuSolve, dem CFD Werkzeug der Software Suite, so dass auch eine Aussage über das Abkühlverhalten des hergestellten Produktes und die Zykluszeit getroffen werden konnte.
Leichter, besser, schneller!
Im Ergebnis entstand ein Werkzeug, das 75 Prozent leichter war als das vor einigen Jahren mit konventionellen Methoden erstellte Ursprungswerkzeug. Darüber hinaus konnte durch den 3D-Druck eine konturnahe Temperierung integriert werden, was zu einer drastischen Verkürzung der Zykluszeit führte. Die Durchlaufzeit zum Bau des Werkzeuges wurde um rund 25 Prozent reduziert, da die Ingenieure einzelne Funktionen bereits im 3D Druck integrieren konnten. Dies verkürzte darüber hinaus die manuelle Endmontage des Werkzeuges. Entsprechend der kürzeren Fertigungszeit konnten die Produktionskosten des Werkzeuges ebenfalls gesenkt werden.
Aufgrund der sehr guten Ergebnisse hat sich PROTIQ nun dazu entschlossen, die Altair-Werkzeuge auch selbst zu nutzen, um seinen Kunden zukünftig alle erforderlichen Leistungen aus einer Hand über die PROTIQ-Plattform unter anbieten zu können.